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Villach – Die Essbare Stadt

von rene
Villach – Die Essbare Stadt

Die Vision
Einen Apfel am Weg zur Uni im Magdalener Studentenpark? Frisches Gemüse aus dem Villacher Stadtpark oder einem Gemeinschaftsgarten am Wasenboden? Nüsse aus dem Landskroner Stadtpark? Beeren zum Nachtisch gepflückt am Drauufer oder gar frische Kräuter aus Beeten in der Innenstadt? Diese Vorstellung mag so manchem als weit hergeholt erscheinen – doch liegt sie eigentlich so nahe.

Die Idee der Essbaren Stadt bzw. Gemeinde breitet sich aus und setzt sich bereits vielerorts durch. Hierbei wird der öffentliche Raum mit essbarer Begrünung bestückt und die Menschen werden zur aktiven Mitgestaltung und Wertschätzung bzw. -schöpfung des gemeinsamen Lebensraumes eingeladen. Statt Schildern auf denen „Betreten Verboten“ steht, findet man nun Aufforderungen zur Ernte und gemeinnützigen Bewirtschaftung wie „Pflücken erlaubt“ oder „Bedien’ dich“.

Wie die Erfahrung zeigt, haben Initiativen dieser Art nicht nur kulinarische Auswirkungen, sondern bilden Gemeinschaft und tragen ein neues Lebensgefühl ins Stadtbild: zwischen grauem Asphalt/Beton und Häuserfassaden, kommt ein Stück grünes Schlaraffenland zum Vorschein. Es gilt in der Stadt – als Lebensmittelpunkt – Lebensmittel wieder erlebbar zu machen. Essen eignet sich wie kaum ein anderes Thema dazu, Menschen zusammenzubringen und Fragen wie Nachhaltigkeit, Solidarität und Schenkwirtschaft praktisch zu erfahren.

Es geht um eine andere Art der „Inwertsetzung“ eines Ortes oder einer Stadt, nicht für Investoren, die angelockt werden sollen, sondern für die Menschen, die dort wohnen. Es geht um Bewusstsein, ein Stück Unabhängigkeit, die Frage einer zukunftsfähigen Nahrungsmittelproduktion und die Rückbesinnung auf regionale und saisonale Ernährung. Zudem können sich auch viele Besucher durch “sanften Tourismus” einen Ort auf ganz andere Art erleben.

Beschluss des Villacher Gemeinderates
In der letzten Budget- Sitzung des Villacher Gemeinderates am 04.12.2015 wurde unser abgeänderter Antrag zur Umsetzung der Essbaren Stadt Villach einstimmig, von allen im Gemeinderat vertretenen Fraktionen, beschlossen. Der Absatz lautete:

“Der Gemeinderat möge beraten und beschließen, die zuständigen Stellen und Abteilungen werden damit beauftragt in Frage kommende Flächen auf ihre Möglichkeit zu überprüfen und gemeinsam mit der Politik und der Bevölkerung ein Konzept zur essbaren Bepflanzung der sich anbietenden Flächen zu erarbeiten.”

Unseren Antrag zur Essbaren Stadt sowie den beschlossenen Abänderungsantrag zur Essbaren Stadt könnt ihr hier gerne in voller Länge einsehen.

Seitdem ist die Stadt Villach dabei das Projekt zu planen und zu budgetieren. Als ersten Schritt werden Erfahrungen mit anderen Gemeinden, die bereits diesen nachhaltigen Weg eingeschlagen haben, wie der Essbaren Gemeinde Übelbach, ausgetauscht.

Planung und Umsetzung
Die Planung und Umsetzung der Essbaren Stadt Villach obliegt jedoch nicht nur der Stadt und dem Stadtgarten. Jeder einzelne ist dazu aufgerufen die eigenen Flächen umzugestalten, essbar zu begrünen und der Öffentlichkeit frei zugängig zu machen. Vor allem ist hier auch die Initiative und Kreativität der Unternehmer unserer Stadt gefragt.

Wir haben zum Beispiel die Flächen vor unserem Gemeinschaftsraum zum Garten E.R.D.E.*, einen kleinen aber feinen Gemeinschaftsgarten, umgestaltet, der für jeden frei zugänglich ist. Jeder ist auch herzlich dazu eingeladen ihn mitzugestalten, zu pflegen und zu ernten.

Warum eigentlich die Essbare Stadt?

Unabhängig(er) werden
Die Essbare Stadt ist eine tolle Möglichkeit für Stadtbewohner, ihr eigenes Obst und Gemüse zu ernten und/oder anzubauen und von den Früchten der Natur zu profitieren.
Wir sind heute mehrheitlich von unzähligen Konzernen und Lebensmittelvertreibern abhängig und können uns nicht mehr eigenständig mit Nahrungsmitteln versorgen. Durch die Errichtung der Essbaren Stadt können sich Menschen wieder mehr mit dem Anbau, der Pflege sowie der Ernte von heimischen Nutzpflanzen auseinandersetzen und werden mit Konzepten der Selbstversorgung vertraut. Weiters bietet der Entschluss, Villach zur essbaren Stadt zu machen, die Möglichkeit das Thema Ernährungssouveränität breit zu besprechen und ins Bewusstsein zu führen.

Konsumfreie Zeit
Was kann man in einer Stadt tun ohne etwas zu konsumieren, sei es nun nur ein Kaffee oder gleich ein ganzes Mittagsmenü? Städte werden immer mehr zu den Zentren des Konsums und Kommerzes und die geldfreien, aber dennoch unterhaltsamen und sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeiten bleiben aus. Durch die Errichtung der Essbaren Stadt können wir der zunehmenden Privatisierung und Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes entgegenwirken. Es kann ein öffentlicher Raum geschaffen werden, in welchem sich Menschen treffen um eine schöne Zeit miteinander zu verbringen, sich auszutauschen, gegenseitig zu bereichern und das ohne einem Konsumzwang zu unterliegen.

Ästhetik und Umwelt
Die Essbare Stadt bietet Raum für eine hohe Biodiversität, denn sie strebt der ständigen Betonierung von Grünflächen entgegen. Anstatt weiterhin immer mehr Flächen durch Beton zu versiegeln und Brachen zu errichten entstehen nun Grünflächen, die auch noch von der Stadtgemeinschaft genutzt werden können.
Wenn die Stadt zu unserem Garten wird, wird auch eine Vielzahl von heimischen Tieren, wie den unterschiedlichsten Bestäubern und Insekten, sowie Vögeln und Kleinsäugetieren wie Eichhörnchen, ein Lebensraum geboten. Zudem reinigen die Grünflächen die Luft und erhöhen somit die Lebensqualität aller Bewohner einer Stadt. Daher bietet die Essbare Stadt die Möglichkeit sich für Umweltgerechtigkeit einzusetzen und die Vielfalt der heimischen Flora und Fauna in ihrer Erhaltung zu unterstützen.

Die Essbare Stadt kann zudem ein Gegensatz zu den berüchtigten Monokulturen bieten. Hier ist es möglich die Kultivierung und Nutzung alter Heilpflanzen, Gewürze, Gemüse- und Obstsorten und somit gezielte Erhöhung der Agrobiodiversiät zu erreichen. Vieles an Saatgut und Sorten kann in diesen öffentlichen Räumen ausgetauscht, kultiviert und somit auch erhalten werden. Gezielter Anbau hilft der Vermehrung von Nutzpflanzen, die von genetischer Erosion bedroht sind. Die Essbare Stadt kann daher auch als eine Brücke zwischen Stadt und bäuerlicher Landwirtschaft gesehen werden.

Gesundheit
Die Essbare Stadt bietet für Menschen auch einen Raum der Gesundheit und Erholung. Es werden durch dieses Konzept Orte der Ruhe und der geschenkten Zeit errichtet, denn man kann sich hier gemütlich und entfernt vom alltäglichen Verkehr sammeln und Zeit verbringen, um etwas frische Luft und die köstlichen Geschenke unserer Erde zu genießen. Zum Anderen aber können sich die Bewohner unserer Stadt gesund, nachhaltig und aus direktem Eigenanbau ernähren.

Bildungsauftrag
Eine Essbare Stadt bringt auch viele positive Aspekte bezüglich der Bildung der Menschen mit sich. Da solche Orte für alle Menschen zugänglich sind, ergibt sich hier ein reger Austausch von Erfahrungen jedes Einzelnen, wodurch diese zu Orten des gemeinsamen Lernens werden können. In der Essbaren Stadt werden auch soziale Umgangsformen ausgeübt, denn hier wird miteinander geteilt und ausgetauscht.
Unsere Kinder haben auch die Möglichkeit, Zeit in den Gärten der Essbaren Stadt zu verbringen und dort Naturerfahrungen zu machen. Sie können daher auch der Bewusstmachung dienen, denn man erfährt am eigenen Leib wo unsere Nahrung herkommt und welche aufwendigen, von der Natur beeinflussten Prozesse, dahinter stecken. Kinder und Jugendliche lernen auf praktische Art, dass der Apfel nicht im Supermarktregal wächst, sondern dass Früchte sich im Einklang mit den natürlichen Jahreszeiten herausbilden und heranreifen. In diesem Sinne leistet die Essbare Stadt einen erheblichen Beitrag zur Umweltbildung der Bevölkerung und kann natürlich auch von den verschiedensten Bildungseinrichtungen für eventuelle Workshops und dergleichen genutzt werden.

Gemeinschaft und Soziales
Die Essbare Stadt bietet auch auf der sozialen Ebene einer Stadt, einen herausragenden Raum. Eine Vielfalt an Menschen kann sich hier treffen, um ihre kulturellen und sozialen Hintergründe untereinander auszutauschen. Die Gärten können teilweise gemeinsam gestaltet werden, was zu einer Stärkung der Gemeinschaft, Kooperation sowie des Zusammenlebens der Menschen einer Stadt führt. Durch das gemeinsame Schaffen eines Lebensraumes haben Menschen das Gefühl, selbst tatkräftig ihre unmittelbare Umgebung mitgestalten zu können und Einfluss auf ihre Umwelt zu haben.
Zudem bietet die Essbare Stadt auch Anreiz hinauszugehen und mit unseren Mitmenschen in Kontakt zu treten. Die Essbare Stadt wirkt daher der Anonymität und Isolierung des Einzelnen entgegen und trägt somit zu Gemeinschaft, Zusammenhalt und Naturverbundenheit bei.

Vorschläge zur weiteren ESSBAREN BEPFLANZUG des öffentlichen Raumes in Villach
Diese Standorte bieten sich unserer Meinung nach an mit der Umsetzung der „Essbaren Stadt“ zu beginnen:

  • Studentenpark Magdalen
  • Landskroner Stadtpark
  • Villacher Stadtpark
  • Schillerpark
  • Wasenboden
  • Drauufer
  • diverse Sommerblumenanlagen
  • sowie leerstehende Flächen der Stadt Villach

Möglichkeiten der Bepflanzung:
Obstbäume: Apfel, Birne, diverse Kirschsorten, Pflaumen, Haselnuss, Walnuss, Edelkastanie, Ringlotten, Quitten
Sträucher und Hecken: Himbeere, Ribisel, Holunder, Hagebutte
Hochbeete in Grünanlagen und auf Plätzen: Pflücksalate, Zucchini, Kürbisse, Gurken, Paprika, Karotten, Sellerie, etc.
Heimische Kräuter und Heilpflanzen
auf freien Grünflächen in der Stadt, z.B. Kamille, wilder Thymian, Rosmarin, diverse Rauken aus der Familie des Knoblauchs, alle winterharten Kräuter